Der große Sturm

Sturm 1

Damit hatte mich der Troll-Alltag wieder. Das heißt, ich war, außerhalb jeder erstrebenswerten Traumrealität, den Anfechtungen der Nicht-Trolle und deren Anfeindungen, wie auch der Lächerlichkeit preisgegeben wie eh und je. Aber vorläufig hatte ich noch scheinbar alles im Griff. Noch war die Zeit einigermaßen günstig und ich glaubte sie durch hohen persönlichen Einsatz formen zu können.

Auch Dingsbums hatte ihre „Überlebenstaktik“, ihrem dämonischen Troll gegenüber geändert. Auf Anraten der Oberhexe Nimmich war sie dazu übergegangen, mit kleinen und kleinsten Nadelstichen meine innere Trollsicherheit zu untergraben. Ihre Gesten und ihr Zynismus sprachen Bände! Stets saß sie mit einer hoch aufgereckten Hand und erhobenem Zeigefinger bei Tisch – so als wäre das dem reinen Zufall geschuldet.

Darüber hinaus machte sie geschickt harmlos aussehende Bemerkungen, die, nach und nach, eben doch ihre Wirkung zeitigen sollten… „Hahaha, wie schmierst du dir denn dein Brot?“, oder „Was du da sagst kann ich dir leider nicht glauben, das erscheint mir zu lächerlich!“ Alle meine Freunde erschienen ihr auf einmal charakterlich fragwürdig und alles was ich tat war ihr suspekt! „Big Sister is watching you“, das sollte ihr Slogan werden…dann musste sie nur noch aufpassen, daß dieses eingebildete Arschloch von einem nichtssagenden Troll keinen Erfolg für sich verbuchen konnte. Denn von Zeit zu Zeit verkrampfte sich ihr Gehirn und dann brauchte sie jemanden, den sie für ihre gesamte Lebensmisere verantwortlich machen konnte. Ein erfolgreicher Mann aber würde, nachdem er sie ganz genau kennengelernt hatte, sofort verlassen, das wusste sie instnktiv!

Gut für sie war, daß sie niemals offen mit jemandem sprach. Ihren Freundinnen gegenüber tat sie zwar so, aber das war alles nur gespielt, intrigant, gegen Trolli gerichtet, also fokussiert und keineswegs ehrlich. Aber wozu sollte sie das sein?! Dieser blöde, teilweise geliebte (weil unentbehrliche Troll) spielte ja auch nicht mit offenen Karten…oder sollte man seine dämlichen Zaubereien, die an ihrer Ehre kratzten, als aufrichtig bezeichnen? Der Erfolg, den er anstrebte sollte sich auf nichts Anderem als auf ihren Schultern abspielen. Klar, er war Tag und Nacht damit beschäftigt Sympathien zu erwerben und Engagements zu erhalten, aber er tat nichts Richtiges! Er war kein Arzt, er füllte keine Regale auf, er bebaute keine Felder, baute keine Straßen, er war weder Pfarrer noch Lehrer, er ernährte keine Familie, er war weder Offizier noch Gentleman (auch wenn das manche Frauen behaupteten…die Ärmsten). Wozu also sollten seine Bemühungen denn dann gut sein?!

Ich versuchte das zunächst spielerisch damit auszugleichen, indem ich die, nun immer öfter anberaumten, nachbarschaftlichen Treffen nutzte um meine Bemühungen und Verbindungen als zukunftsweisend und als günstig für Dingsbums und mich darzustellen. Und zunächst hatten die Nachbarn und deren, sowie unsere neuen Freunde, der stolze Gunthram und seine Frau Nanana, ein offenes Ohr für meine Absichten. Auch meine „Darbietungen“ verfolgten sie mehr oder weniger aufmerksam…obwohl sie nicht ihren vorrangigsten Interessen entsprachen. Nanana fand sie sogar unheimlich, ließ aber zu, daß ich ihr zeigte was ich draufhatte. Aber ich durfte sie nicht aus ihrem bürgerlichen Gleichgewicht bringen. Ein, bei einem abendlichen Spaziergang, neben uns über die Felder schwebendes Licht war das Größte was sie noch aushalten konnte, mehr ging einfach nicht.

Von Dingsbums Hirnkrämpfen, die noch von ihrer natürlichen Bosheit intensiviert und von ihrer Missgunst befeuert wurden, wussten sie allesamt nichts und als ich Schlaudia einmal genau und mit Beweisen unterlegt, aufklären wollte, sagte sie nur „Ich dachte immer so etwas gibt’s nicht, aber wenn es so etwas doch gibt, dann sag‘s mir bitte nicht!“ Nun ja, zum Glück gab es noch andere Themen als solche, die sich direkt mit dem Leben beschäftigten – Urlaub z.B. Dazu sollte dringend erwähnt werden, daß Dingsbums, trotz der von Trolli versursachten Geldknappheit, jedes Jahr verreisen wollte. Flugreisen bevorzugte sie extrem. Ich bin nicht gerne in der Luft, weil die ja bekanntlich keine Balken hat und deshalb meldete ich jedes Jahr von Neuem meine Bedenken an…

„Ich habe einfach kein gutes Gefühl bei deinem Vorhaben dieses Jahr in Kalabrien Urlaub zu machen“ lamentierte ich vor versammelter Mannschaft. Natürlich wurde ich prompt ausgelacht. Die Meute amüsierte sich köstlich an meinen Bedenken und warf mir die hinlänglich bekannten Allgemeinplätze an den Kopf! Gunthram wandte mit seinem allseits beliebten Sprachtrick ohne Punkt und Komma Sätze zu formulieren und damit Angesprochene Personen zu irritieren und zu überfahren ein: „FliegenistdassichersteVerkehrsmittelüberhauptHastdudasvorlauterAngstvergessen?“ Ich staunte und die anderen lachten mich wieder einmal schallend aus. Schlaudia packte die Gelegenheit beim Schopf und sagte schnippisch: „Du kannst doch so gut Karten legen – zeig dir doch selber, daß an deinen Bedenken nichts dran ist!“ Das war sehr schlau von Schlaudia, denn sie war felsenfest davon überzeugt, daß ich mir dabei selbst ein Bein stelle würde. Und so kam es dann auch – denn es wurde ein Termin vereinbart, an dem ich mein Unvermögen unter Beweis stellen sollte.

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  14

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  14"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  14

Autor: Sonja Soller   Datum: 02.09.2022 12:31 Uhr

Kommentar: War wieder sehr interessant zu lesen.
Gerne gelesen!!!!
Das Bild ist wirklich zum Fürchten!! Toll gemalt!

Da bin ich gespannt wie es weitergeht, wird langsam stürmisch!!!!

Herzliche Grüße aus dem trolligen Norden, Sonja

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  14

Autor: Alf Glocker   Datum: 02.09.2022 19:19 Uhr

Kommentar: Herzl Dank aus dem fürchterlichen Süden
Alf

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